Talk about mit Lars Hübner
Interview mit Lars Hübner
Geschäftsleitung der T2med GmbH & Co.KG
vom 02.07.2019
FKQS-SH: Wo sehen Sie die Chancen bzw. Risiken bei der Telematik-Infrastruktur?
Lars Hübner: Die Chance liegt definitiv darin, dass sich in den Praxen das Verständnis für das Thema „online“ durch die TI etabliert hat, was vorher nicht immer der Fall war. Damit konnten auch zunehmend mehr Praxen mit sinnhaftigen Sicherheitskomponenten (Firewalls, Virenschutz, Systemupdates, usw.) ausgestattet werden, denn das Thema „online-Sicherheit“ wurde ja aktiv von den Technikern vor Ort angesprochen und nachvollziehbar auch immer, wenn nötig, angeboten. Wenn es dann im Anschluss daran auch zu der Beauftragung über diese Sicherheitskomponenten gekommen ist, was zunehmend auch so war, dann ist es nur gut!
Das Risiko liegt jedoch im Umkehrschluss darin, dass alleine ein Konnektor und die notwendigen TI-Software-Komponenten eben nicht ausreichend sind für eine zeitgemäße online-Sicherheit in einer Arztpraxis. Und gerade davon gehen einige Praxen aus. Das birgt ein durchaus nennenswertes Risiko, denn diese Praxen wiegen sich somit in einer trügerischen Sicherheit. Wie man an der aktuellen Diskussion über die zwei Installationsarten des Konnektors ableiten kann, sind die Praxen letztlich nach einer Installation der TI-Komponenten genauso online-sicher, wie sie es davor auch schon waren – oder eben nicht waren. Der Techniker vor Ort ändert mit der Installation des Konnektors keine bestehende Infrastruktur und damit erfolgt auch keine Änderung der Sicherheitssituation in der Praxis. Der Konnektor wird in der Parallelinstallation als weiteres Gerät zu den bestehenden Komponenten im Praxisnetz installiert. Wir, bzw. unsere Techniker klären zwar auf, aber können nicht die Verantwortung oder Haftung für bestehende Gegebenheiten in der Praxis übernehmen. Zu dem Thema wäre es gut, wenn dies einmal klar, u. a. auch von der KBV, benannt wird, anstelle Unsicherheiten in der Ärzteschaft zu schüren und zu versuchen diejenigen in Verantwortung zu ziehen, die ihren Job nur nach Beauftragung durch die Praxen durchführen.
Das weitere Risiko für die Zukunft ist bedingt durch die Wahl der jeweiligen Komponenten durch die gematik. Ein Konnektor ist technisch nach unserer Auffassung einfach nicht mehr zeitgemäß. Aktuell wird das nochmals verschärft mit der Forderung aus den Reihen der Politik, das Thema „Mobilität“ doch offensiver voranzubringen. „Mobilität“ in Verbindung mit rein stationären Konnektoren – wie soll das vernünftig und vor allem praktikabel für alle Beteiligten funktionieren? Hier steht die Antwort noch aus. Ebenfalls unbeantwortet sind Fragen über die Zukunftsfähigkeit von Konnektoren. Es könnte Probleme geben, wenn ggfs. der interne Speicher von einigen Konnektoren nicht ausreichend wäre, um zukünftige Anforderungen performant abbilden zu können. Oder was ist mit den sog. „Zertifikaten“ in den Konnektoren? Diese können nach jetzigem Stand nicht einfach so per „Update“ aktualisiert werden – aber laufen nach ziemlich genau 4 Jahren ab. Die Konnektoren werden ohne gültige Zertifikate nicht mehr funktionieren! Wer zahlt den nochmaligen Austausch aller Konnektoren? – Was kommt dann? Wird dann kein Konnektor mehr benötigt, was technisch durchaus so sein könnte? Es gibt einfach viele offene Fragen, die m. E. bisher nicht transparent beantwortet wurden.
Wird aus Ihrer Sicht die Politik den Termin bzgl. möglicher Honorarkürzungen eventuell noch einmal verschieben, weil die Softwarehäuser die Praxen nicht schnell genug ausstatten können?
Lars Hübner: Diese Frage hat sich m. E. insofern relativiert, da die KBV ja einen weiteren Zeitraum für die Installation und erstmalige Durchführung des Stammdatenabgleichs in das 3. Quartal hinein bestätigt hat. Dadurch dürfte sich eine eventuelle Problematik durch verspätete Installationen und demzufolge befürchtete Kürzungen entschärft haben. Es bleibt somit bei keinen Sanktionen, wenn bis zum 31.03.2019 bestellt wurde und wenn der Stammdatenabgleich bis zum 30.09.2019 erstmalig erfolgt.
Wer ist Ihr derzeitiger Ansprechpartner für die Telematikinfrastruktur?
Lars Hübner: Das sind die Anbieter von TI-Komponenten, insbesondere die Anbieter von den sog. Konnektoren. Diese Konnektoren müssen störungsfrei mit unserem Praxisprogramm funktionieren und da bedarf es der Abstimmung mit den Konnektor-Lieferanten, damit es nicht zu unerwünschten Programmabläufen bei unseren Anwendern kommt.
Kommt es durch den Anschluss zu vermehrten Systemabbrüchen oder zu Problemen mit der PVS?
Lars Hübner: Nein, uns sind keine vermehrten Probleme bekannt. Aufgrund interner Maßnahmen zur Qualitätssicherung konnten diese befürchteten Probleme schon vor dem Start des finalen Roll-out analysiert und beseitigt werden.
Die Patienten haben zum Teil noch die alten Versicherungskarten, weil noch gültig. Wie gehen Sie mit diesem Problem um?
Lars Hübner: Damit kann man dann letztlich nur ganz pragmatisch umgehen, damit es zu keinen Verzögerungen in den Praxen kommt. Sollte eine solche Karte eingelesen werden, dann geht es halt auch mal „ohne TI“. Nach unseren Informationen sind jedoch alte Karten nur noch sehr vereinzelt anzutreffen.
Wie gestaltet sich der Umgang mit der Kommunikation mit den Ärzten bzw. KV?
Lars Hübner: Generell kann man das positiv bewerten. Nach anfänglichem Zögern haben die KVen durchaus offensiv das Thema „roll-out“ aufgegriffen und Informationsveranstaltungen durchgeführt. Diese Veranstaltungen, sowie die proaktive Kommunikation der KVen in Richtung der Ärzte hat sicher dazu beigetragen, dass insgesamt die Einführung der TI bei unseren Anwendern relativ ruhig und für diese als angenehm empfunden wurde. Das liegt jedoch auch daran, dass wir das Thema „TI“ nicht als Geschäftsmodell sehen, sondern nur als Umsetzung einer weiteren gesetzlichen Anforderung. Wir haben die TI zu keiner Zeit als Vertriebsaufgabe gesehen, sondern unsere Anwender jeweils nur sachlich informiert. Somit wurde ihnen alleine die Entscheidung überlassen, ob sie TI wollten und wenn ja, wann diese Komponenten in den Praxen durch unsere regionalen Partner installiert werden sollten. Insofern verlief auch die Kommunikation mit den Ärzten irritationslos.
Was waren Ihre Herausforderungen bei der Umsetzung?
Lars Hübner: Da wir als derzeit noch relativ kleiner Anbieter im Gegensatz zu anderen Wettbewerbern keinen frühzeitigen Zugang zu den für eine Umsetzung notwendigen, technischen Informationen hatten, mussten wir unsere interne „road-map“ entsprechend kurzfristig nach den Gegebenheiten im Zusammenhang mit der TI anpassen. Dadurch sind eigene, spannende Projekte wie bspw. unser Projekt „PatMed“ als arztgeführte aber nicht zentrale eAkte verzögert worden. Gleiches gilt für Anwenderwünsche, die wir eigentlich immer gerne und auch möglichst zügig umsetzen wollen. Einige dieser Wünsche mussten dann leider hinter den TI-Anforderungen priorisiert werden.
Können Sie die Frist einhalten?
Lars Hübner: Aus unsere Sicht ja, wenngleich es natürlich auch „TI-Verweigerer“ geben wird. Wir sehen uns jedoch nicht in der Pflicht, diese massiv zu einer TI-Bestellung zu drängen.
Welche Probleme kann es für an die TI angeschlossenen Gesundheitsberufe geben, wenn im ländlichen Bereich nur mangelnde Datenleitungen zur Verfügung stehen?
Lars Hübner: Das ist relativ einfach zu beantworten. Mag es bei der ersten TI-Anwendung (VSDM) noch ausreichend sein und man kann ja notfalls auch mal „ohne“, so werden die weiteren Dienste immer abhängiger werden von einer stabilen und performanten online-Verfügbarkeit. Ist diese nicht vorhanden, kann es nachvollziehbar auch keinen Datenaustausch geben. Und je mehr Daten „bewegt“ werden müssen, – Stichwort „zentrale Patientenakten“ -, desto stabiler und breitbandiger muss das Datennetz verfügbar sein.
Wann werden Sie voraussichtlich in SH die Praxen komplett ausgestattet haben? In welchem Zeitrhythmus werden die Kliniken und Apotheken angeschlossen?
Lars Hübner: Unsere Anwender in SH sind bereits ausgestattet, bzw. die letzten Installationen werden bis Mitte des 3. Quartals abgeschlossen sein.
Da wir uns ausschließlich in dem Markt der Praxisverwaltung für niedergelassene Ärzte befinden, kann ich zu den Installationsregularien in Kliniken und Apotheken nichts Verlässliches sagen. Fakt ist, dass Anwendungen der TI wie bspw. der Medikationsplan ohne die Kliniken und Apotheken wirklich nicht optimal sind.
Das Gespräch führte: Dr. Herme Rijnberk
Lars Hübner
Vorstandsmitglied des QMS – Qualitätsring Medizinische Software e.V.
Geboren am 01.02.1967 in Berlin-Charlottenburg
Berufl. Stationen/Tätigkeiten
1988 – 1991 | Deutsche Bundesmarine |
1993 – 1994 | Systemanalytiker in einem Softwarehaus |
1994 – 2000 | Regionalleiter bei einem Markführer für Apotheken-EDV-Warenwirtschaftssysteme |
2000 – 2003 | Vertriebs- und Betriebsleiter bei der TurboMed EDV GmbH |
2003 – 2010 | Geschäftsführer der TurboMed EDV GmbH |
2011 | Direktor –Arztinformationssysteme- bei der CompuGroup Medical Deutschland GmbH |
seit 2012 | Geschäftsleitung der T2med GmbH & Co.KG in Kiel |
Ehrenämter
2003 – 2015 | Mitglied im Prüfungsausschuss ITSK der IHK zu Kiel |
2005 – 2011 | Vorsitzender des VDAP e.V., Berlin |
seit 2015 | Vorstandsmitglied des QMS – Qualitätsring Medizinische Software e.V. |
2017 | Benennung zum Experten für das Interoperabilitätsverzeichnis „vesta“ durch die gematik |