Talk about mit Michaela Schlösser

Interview mit Michaela Schlösser

Hausärztin in Kaltenkirchen

vom 27.02.2019

 

FKQS-SH:
1. Sehr geehrte Frau Schlösser, sind Sie schon angeschlossen?

Michaela Schlösser: Ja, seit Februar 2017. Ich bin über den Anbieter meines Praxisverwaltungssystems angesprochen worden und bin gleich in der Erprobungsphase gestartet. Die Geräte waren zu diesem Zeitpunkt kostenlos und es gab eine Aufwandsentschädigung.

2. War der technische Aufbau problemlos?

Michaela Schlösser: Der erste eingebaute Konnektor war leider gleich kaputt. Die Lieferung des Ersatzgerätes dauerte dann sechs Wochen. Das Starten vom Praxisverwaltungssystem war relativ problemlos mit dem positiven Effekt, dass es schneller wurde. Die Telematik-Infrastruktur läuft gut und schnell. Zu Beginn waren die Versicherten-Karten noch nicht auf dem aktuellen Stand. Meine Patienten wollten gerne mitmachen und haben sich über die alten Karten bei Ihren Krankenkassen beschwert, mit Erfolg. Da eine weitere Praxis vor Ort gleich mit gestartet war, konnte der Umtauschprozess wahrscheinlich beschleunigt werden.

Probleme gab es dann 2018 mit dem generellen Start. Ich musste meine modernen Tischlesegeräte der neuesten Generationen wieder gegen eine ältere Version austauschen, wobei mir definitiv 2 Geräte weniger geblieben sind und nun doch Neuinvestitionen erforderlich sind.

Die Einrichtung des Konnektors bedeutete immer mehrere Stunden Praxisausfall, da ein Subunternehmer beauftragt war und Wunschtermine nicht abgesprochen werden konnten. Bei der ersten Einrichtung erhielten wir eine Schulung, bei der zweiten dann nicht mehr.

3. Welchen Nutzen sehen Sie in der Telematik-Infrastruktur?

Michaela Schlösser: Meine Hoffnung in die Telematik-Infrastruktur ist die Ressourcenschonung, z. B. Doppel-Untersuchungen zu vermeiden.

Ein Gerät, das auch gleichzeitig eine EC-Karten Lesefunktion hätte, wäre sehr sinnvoll. Das wäre ein echter Mehrwert für alle Kollegen.

4. Wie sind bislang Ihre Erfahrungen mit dem System?

Michaela Schlösser: Der anfängliche Zeitaufwand in der Anmeldung wird schnell zur Routine. Aber jedes Mal bedeutet es einen Sprechstundenausfall, wenn Komponenten ausgetauscht werden müssen.

5. Läuft das Versichertenstammdatenmanagement (VSDM) als erste Anwendung problemlos?

Michaela Schlösser: Ja, das funktioniert gut. Die Patienten sind meist erstaunt darüber (siehe Frage 8). Manchmal gibt es Schwierigkeiten bei jungen Versicherten, die gerade in den Beruf eingestiegen sind. Da sind die Krankenkassenkarten einfach zu spät verfügbar und wir müssen uns erst die Versichertendaten von der jeweiligen Krankenkasse besorgen und dann von Hand in das Praxisverwaltungssystem übertragen.

6. Was müsste Ihrer Meinung nach geändert werden?

Michaela Schlösser: Es gibt noch immer kein zertifiziertes mobiles Kartenlesegerät für die Hausbesuche.

Die Praxis muss sich nach den Terminen des Praxisverwaltungssystem-Anbieters richten, inzwischen gibt es auch in diesem Bereich Subunternehmer. Deshalb ist eine freie Terminwahl bei Wartung und Änderungen nicht möglich. Eine eigene Terminwahl wäre wichtig um Praxisausfallzeiten zu vermeiden.

Die Flyer für die Patienten sind gut und wurden in der Erprobungsphase oft an die Krankenkassen weitergegeben. Die Patienten finden es insgesamt gut. Alte Karten der 1. Generation können noch mit dem mobilen Kartenlesegerät gelesen werden.

Den Heilberufsausweis habe ich schon in 2017 beantragt, leider, und habe die Kosten deshalb komplett selbst getragen. Die Information meines Softwareanbieters über einen Rabatt kam leider erst viel später. Die zeitnahe Bereitstellung von Information könnte hier noch etwas besser sein.

Überhaupt sollte insgesamt besser informiert werden, um sich schon vor Bestellung der Geräte Gedanken zu machen, wie viele stationäre Kartenlesegeräte man benötigt.

7. Wie könnte Ihrer Meinung nach die Politik/Selbstverwaltung Sie noch unterstützen?

Michaela Schlösser: Die KV sollte die Ärzte noch besser über den zeitlichen Ablauf und die notwendigen Updates und Geräteanforderungen beraten und nicht allgemein informieren. So hatte ich mir schon frühzeitig ein Telematik-fähiges Gerät gekauft, das dann vor dem Start der Erprobungsphase leider schon veraltet war. Außerdem eröffnet das den Markt für Geschäftemacherei von selbsternannten Beraterfirmen.

8. Gibt es erste negative Erfahrungen bzgl. des Einleseprozesses der Versichertenkarten? Wenn ja, wie reagieren die Versicherten darauf?

Michaela Schlösser: Alte und neue Versicherten-Karten im System laufen nebeneinander her. Es gibt noch keine neuen mobilen Kartenlesegeräte. Die alten mobilen Kartenlesegeräte können aber G1 wie G2 Karten verarbeiten, was uns in der Anfangsphase oft geholfen hat. Aber es gibt auch eine finanzielle Unterstützung durch die KVSH.

Mein stationäres Lesegerät mit Folie über der Tastatur ist nicht mehr nutzbar. Die jetzt zu verwendenden neuen stationären Modelle sind aber nicht desinfizierbar, ein echter Nachteil. Spätestens, wenn jeder Patient in der Grippesaison seine PIN eintippen muss!

9. Wo sehen Sie die Chancen bzw. Risiken bei der Telematik-Infrastruktur?

Michaela Schlösser: Siehe oben Frage 3. Der von den Versicherten einzugebende PIN wird insbesondere von älteren Versicherten einfach vergessen. Hier ist die praktische Umsetzung gefährdet. Auch kommen oft Pflegedienste oder Angehörige mit den Karten der zu pflegenden Personen. Das wird in der Handhabung schwierig.

10. Wird aus Ihrer Sicht die Politik den Termin bzgl. möglicher Honorarkürzungen eventuell noch einmal verschieben, weil die Softwarehäuser die Praxen nicht schnell genug ausstatten können?

Michaela Schlösser: Eine Honorarkürzung ist aus meiner Sicht generell nicht sinnvoll. Das wird die Kollegen nicht mehr motivieren. Es steht dann noch weniger Geld in den Praxen zur Verfügung, um neue Technik anzuschaffen.

11. Wer ist Ihr derzeitiger Ansprechpartner für die Telematik-Infrastruktur?

Michaela Schlösser: Mein Softwarehaus, aber nur der Einfachheit halber. Die Softwareanbieter nutzen jede Gelegenheit, um ihre Pauschalen zu erhöhen, wie z. B. für eine 24 Stunden-Wartung oder die Programmierung des bundeseinheitlichen Medikationsplans. Hier könnte die KV rechtzeitig reagieren und es dadurch kostenneutral für die Praxen gestalten.

12. Haben Sie Ängste bezüglich der Kommunikation über die Telematik-Infrastruktur mit den Krankenkassen und wenn ja, welche?

Michaela Schlösser: Ja, ich habe Bedenken. Ich habe ein Problem damit, von den Krankenkassen ausgespäht zu werden. Es könnten aufgrund der Zusammenführung von Daten, wie z. B. Diagnosen, Patientenstruktur und Verordnungsverhalten Argumente gefunden werden, die z. B. in einem Prüfverfahren gegen mich verwendet werden könnten, … Das hat auch Nachteile für den Patienten, er wird zum „gläsernen“!

FKQS-SH: Sehr geehrte Frau Schlösser, wir bedanken uns für das Gespräch.

Das Gespräch führten: Helga Schilk und Dr. Claudia Ehrenhofer

Curriculum Vitae Michaela Schlösser

Hausärztin in Kaltenkirchen

1995 Approbation als Ärztin
2005 Anerkennung als Fachärztin für Allgemeinmedizin
2010 Anerkennung der Zusatzbezeichnung Homöopathie
2005 Kassenärztliche Niederlassung in Gemeinschaftspraxis
in Kaltenkirchen
2010 Einzelpraxis in Kaltenkirchen