Talk about mit Patricia Schmidt

Interview mit Patricia Schmidt

NäPA in der Praxis Hannes Graeser, Neumünster

vom 04.02.2021

 

FKQS-SH: Wie empfinden Sie die aktuelle Versorgungsstruktur?

Patricia Schmidt: Die Versorgungsstruktur wird immer schlechter. Patienten, die neu zuziehen finden keinen Hausarzt bzw. bei Praxisaufgabe finden die Patienten keinen neuen Arzt. Die Aufgaben der nichtärztlichen Praxisassistentinnen (NäPA) werden immer wichtiger, da Delegation in Zukunft immer wichtiger werden wird.

Der Ausbildungsweg zur NäPA ist lang und sehr zeitaufwändig. Alle drei Jahre wird ein Refresherkurs angeboten. Die Zeitabstände sind schon sehr lang und das Angebot an Kursen zum Thema Digitalisierung und Notfalltrainings ist sehr gering. Insbesondere bleibt der praktische Gesichtspunkt immer im Hintergrund. Themen wie: „Wie sehen Kinderkrankheiten aus?“ finden nicht statt. Es wird deutlich mehr und spezifischere Fortbildung für NäPAs benötigt.

Wo wünschen Sie sich mehr Unterstützung?

Patricia Schmidt: Die Angebote gehen von der Ärztekammer bzw. der Akademie der Akademie der Ärztekammer aus. Wenn sich die KVSH hier mehr engagieren würde, wäre es sicherlich hilfreich. Wie gesagt, es werden mehr Angebote gebraucht.

Ist der klassische Hausbesuch heute noch lebbar? Wie läuft so ein Hausbesuch ab?

Patricia Schmidt: Als NäPA besuche ich meine Patienten regelmäßig in Heimen oder zu Hause. Ein bis zwei Tage vorher rufe ich sie an und kläre, was ansteht. Ältere Menschen benötigen einen Vorlauf.

Wunden werden per Tablet dokumentiert; wenn ein EKG benötigt wird, arbeite ich mit der Leitstelle zusammen, die z. B. einen RTW schickt. Auch mit dem Arzt finden regelmäßige Vor- und Nachbesprechungen statt. Außerdem besteht eine „Hotline“ (Telefon in der Kitteltasche des Chefs, nur für dringende Nachfragen).

Die Patienten nehmen die Besuche sehr gerne an. Sie fühlen sich gut aufgehoben. Es entwickelt sich über die Zeit ein Vertrauensverhältnis. Da ich als NäPA regelmäßig in die Häuslichkeit komme, fallen mir Veränderungen schneller auf, wie z. B. schafft der Patient die eigene Versorgung noch, muss Essen ins Haus kommen, droht Verwahrlosung oder wie ist der Pflegezustand. Ich stehe dabei z. B. auch in engem Kontakt mit der Stadt Neumünster.

Mit Hilfe meines Tablets mache ich z. B. Fotos von Wunden, stehe in engem Kontakt mit Sanitätshäusern und Pflegestützpunkten. Der Chef wird in jede Entscheidung mit eingebunden. Schließlich trägt er die Verantwortung. Trotzdem arbeite ich sehr selbstständig. Wir stehen immer in engem Austausch. Häufig profitiert der Hausarzt von meiner engen Verbindung zu den Patienten, die sehr viel offener mit mir sprechen. Nach 6 Jahren verfüge ich schon über sehr viel Erfahrung. Über die Delegation bleibt für den Arzt mehr Zeit für wichtige Tätigkeiten.

Wie sähen für Sie Zukunftsperspektiven aus?

Patricia Schmidt: Der Beruf der NäPA ist ein sehr verantwortungsvoller. Es wäre schön, wenn in der Ausbildung mehr Untersuchungsmethoden gelehrt würden. Auch der diagnostische Teil sollte eine größere Rolle spielen sowie die Red Flags verschiedener Indikationen. Ein jährlicher Refresher wäre hilfreich.

Es gibt ca. 80 NäPAs in Schleswig-Holstein. Arbeit wäre für viel mehr da. Für eine Praxis ist es durchaus interessant eine NäPA auszubilden. Für jeden Patienten gibt es eine Vorhaltepauschale und einen Versorgungsbonus. Hausbesuche werden extrabudgetär bezahlt. Für jeden Patienten über 70 Jahre gibt es eine Medikamentenpauschale, die quartalsweise abgerechnet wird. Durch die Ausbildung können Anträge selbstständig ausgefüllt werden, viele Arbeiten können vorbereitet werden.

Bei den jungen Ärzten, die aus der Klinik kommen ist die Arbeit der NäPAs nicht unbedingt bekannt. Der Begriff ist sehr erklärungsbedürftig und es könnte hilfreich sein, eine andere Bezeichnung zu finden, die Lust macht, sich damit zu befassen.

Der Beruf kann auch sehr belastend sein. Ärzte haben ihre Balinth-Gruppen. Etwas ähnliches könnte auch für NäPAs ins Leben gerufen werden. Dies wäre auch eine mögliche Weiterbildung für eine NäPA, die die Arbeit ihrer Kolleginnen kennt und bei der Bewältigung helfen könnte.

Vielen Dank für das interessante Gespräch!

Das Gespräch wurde von Helga Schilk und Dr. Claudia Ehrenhofer durchgeführt.

Kurzporträt Patricia Schmidt

03.01.1970 in Lübeck geboren.

1984 – 1986 Ausbildung zur Arzthelferin in einer Allgemeinarztpraxis Bad Schwartau
1986 – 1989 in dieser Allgemeinarztpraxis Bad Schwartau als 1. Kraft weiterbeschäftigt
1989 – 2004 in internistischer Praxis in Bad Schwartau gearbeitet
2004 – 2010 in Allgemeinarztpraxis im Alten Land gearbeitet
seit 2010 in Allgemeinarztpraxis in Neumünster tätig
2015 Ausbildung zur NÄPA.

Diverse Fortbildungen: Impfassistentin, Substitutionsfachkraft, Notfallmanagerin, Diabetesausbildung (zum Schulen mit und ohne Insulin), usw.

Hobbys:

1989 Ausbildung erst als Sanitäter A und B.
1990 Ausbildung zum Rettungssanitäter beim DRK Lübeck. Mit regelmäßigen Diensten im Rettungsdienst der Hansestadt Lübeck, sowie dem Katastrophenschutz.
Seit 2019 bei den Maltesern Neumünster, sowie Katastrophenschutz der Stadt Neumünster.